Geschichte
100 Jahre Heimstätten Baugenossenschaft Fortschritt
seit 1919
„Alle für einen, einer für alle“ – die Gründung (1919)
„Passende, preiswerte und gesunde Wohnstätten für minderbemittelte Bevölkerungskreise“ – so lautet das Ziel bei der Gründung der Baugenossenschaft Fortschritt im Juli 1919. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs (1914–1918) ist die Not in Köln wie überall in Deutschland groß. Vor allem fehlen bezahlbare Wohnungen. Eine Gruppe von sozialdemokratisch gesinnten Arbeitern wird aktiv, gemeinsam sind sie stark. Unter dem Motto „Alle für einen, einer für alle“ gründen sie eine Genossenschaft, um Wohnungen für sich und ihre Familien zu schaffen.
Tatkräftig: die ersten Wohnungen (1920–1933)
Unmittelbar nach der Gründung beginnt die Fortschritt in Raderberg mit dem Bau von Häusern, die bereits Ende des Jahres 1920 bezogen werden. Die Genossenschaft richtet eine eigene Werkstatt ein, um die Wohnungen instand zu halten. Im rechtsrheinischen Poll entstehen Häuser mit kleinen Gartenflächen und Ställen für Kleinvieh. Bis Mitte der 1920er Jahre schafft die Fortschritt in Raderthal, Raderberg, Sülz und Poll rund 250 Wohnungen und hat 470 Mitglieder. Doch mit der Weltwirtschaftskrise 1929 und dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 endet die erste erfolgreiche Phase.
Zwischen Gleichschaltung und Kriegszerstörung (1933–1945)
Genossenschaften als selbstverwaltete Unternehmungen und insbesondere sozialdemokratische Gründungen passen nicht in das nationalsozialistische Wirtschaftssystem. Die Fortschritt wird wie alle Genossenschaften „gleichgeschaltet“, in Vorstand und Aufsichtsrat sitzen Nationalsozialisten, politisch missliebige Mitglieder werden ausgeschlossen. Mitte der 1930er Jahre werden die letzten Wohnungen gebaut, 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Verheerende Luftangriffe richten ab 1940 große Schäden an – auch an den Häusern der Fortschritt. Von den insgesamt 124 Häusern mit 611 Wohnungen wird etwa die Hälfte zerstört oder stark beschädigt.
Wiederaufbau (1945–1955)
Die Genossen packen selbst an und nutzen alle Möglichkeiten, um zerstörte Häuser wieder bewohnbar zu machen. Anfangs fehlt vor allem Baumaterial, sodass viele Reparaturen nur notdürftig ausgeführt werden können. Es herrschen Mangel und Not, viele Genossen und ihre Familien freuen sich über Gartengrundstücke, auf denen sie eigenes Gemüse anbauen. Fleiß und Beharrlichkeit zahlen sich aus: 1955/56 verfügt die Fortschritt wieder über einen Wohnungsbestand wie in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Lebensverhältnisse bessern sich rasch, das Wirtschaftswunder beginnt.
Steigende Ansprüche und mehr Wohnqualität (1955–1969)
An Neubauten ist in den 1960er Jahren nicht zu denken, der Genossenschaft fehlen Grundstücke. Viele Mitglieder genießen jedoch die Sicherheit ihrer Wohnungen und empfinden die Atmosphäre in den Häusern der Fortschritt als angenehm – auch wenn die Wohnungen aus heutiger Sicht einfach ausgestattet sind. Allmählich wachsen die Ansprüche: Waschküchen mit Waschmaschinen und Antennen für Fernsehgeräte steigern die Lebensqualität. Einige Jahre später erhalten viele Wohnungen auch Bäder und Gasetagenheizungen. Ende der 1960er Jahre verfügt die Fortschritt über 760 Wohnungen und steht finanziell stabil da.
Bewährtes Modell (1969–1992)
Die Baukosten steigen und Grundstücke sind in Köln weiter rar, sodass die Fortschritt in den 1970er- und 1980er Jahren vor allem einige An- und Ausbauten realisiert. Der Schwerpunkt liegt bei der Modernisierung und Sanierung des Wohnungsbestands. Insbesondere Häuser aus den 1920er Jahren werden an die Wünsche nach mehr Platz und größerem Komfort angepasst.
Die Arbeit erfährt Anerkennung: Politische Bewegungen der 1970er Jahre sehen das wohnungspolitische Potenzial der Genossenschaften, die städtische Bauaufsicht würdigt das Verdienst der Fortschritt um den Erhalt denkmalschutzwürdiger Gebäude und Fassaden.
Ende der 1980er Jahre nimmt die Fortschritt wieder einige Neubauprojekte in Angriff und plant eine neue Geschäftsstelle.
Genossenschaft: Modern und mit guten Perspektiven (1992–heute)
Seit 1992 das moderne Verwaltungsgebäude an der Mansfelder Straße bezogen wurde, betreut die Fortschritt rund 1000 Mitglieder und etwa 780 Wohnungen, hinzu kommen Gewerberäume. Modernisierungen des Gebäudebestands stehen weiter im Vordergrund. Dazu gehören Umbauten zu Niedrigenergiehäusern, neue Heizungen und Balkone sowie eine seniorengerechte Gestaltung. In allen Quartieren strebt die Fortschritt Verbesserungen des Wohnumfelds an.
Wohnungsgenossenschaften wie die Fortschritt gelten heute – 100 Jahre nach der Gründung – mehr denn je als zukunftsträchtiges Modell. Sie sind einzig ihren Mitgliedern verpflichtet, Überschüsse fließen direkt in Erhaltung und Modernisierung des Bestands, Neubauten und Serviceleistungen. Das Grundbedürfnis der Menschen nach bezahlbaren, sicheren und komfortablen Wohnungen ist gleichgeblieben. Dieses Bedürfnis zu erfüllen ist Ziel der Fortschritt – damals wie heute.